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Tempo 30 bis zur nächsten Kreuzung?

Bisher war ich der Meinung, daß eine Geschwindigkeitsbegrenzung spätestens an der nächsten Kreuzung oder Querstraße automatisch endet. So hatte ich es in der Fahrschule 1982 für meinen Mopedführerschein und noch 1990 für den Autoführerschein gelernt.

Daß dem seit der Wiedervereinigung nicht mehr so ist, habe ich jetzt beiläufig beim sinnlosen Gucken von YouTube-Shorts erfahren. Nach aktueller StVO endet eine Geschwindigkeitsbegrenzung erst, wenn sie durch ein Schild aufgehoben wird (z.B. andere Geschwindigkeitsbegrenzung, Ende aller Begrenzungen, Ortsausgangsschild).

Dazu nun ein kleines Rätsel:

Welches Auto kommt zuerst ans Ziel? Das gelbe, das blaue oder das rote?

Alle Straßen sind innerorts, und zu Beginn des Rennens gilt keine explizite Geschwindigkeitsbegrenzung. Die Autos starten also mit 50 km/h, wie innerorts erlaubt. Die Karte ist nicht maßstabsgetreu, aber den beigefügten Maßen ist leicht zu entnehmen, daß das gelbe Auto 4 km bis zum Ziel fährt, das blaue Auto, das einen kleinen Umweg nimmt, 5 Kilometer, und das rote Auto legt 5,5 Kilometer zurück.

Also, welches Auto ist zuerst am Ziel?

Die Antwort lautet: Es kommt drauf an ...

Nach aktueller StVO fahren die Autos in dieser Reihenfolge ein:

  1. rotes Auto - nach 6,6 Minuten
  2. gelbes Auto - nach 7,2 Minuten
  3. blaues Auto - nach 7,6 Minuten

Das rote Auto wird sicher geblitzt, doch der Fahrer kann nichts dafür.

Es ist aber auch folgende Reihenfolge möglich:

  1. blaues Auto - nach 6 Minuten
  2. rotes Auto - nach 6,6 Minuten
  3. gelbes Auto - nach 7,2 Minuten

In diesem Fall werden das rote und das blaue Auto geblitzt. Der Fahrer des roten Autos kann wieder nichts dafür, der des blauen Autos eventuell doch.

Nach DDR-StVO würden die Autos so ins Ziel fahren:

  1. gelbes Auto - nach 5,6 Minuten
  2. blaues Auto - nach 6 Minuten
  3. rotes Auto - nach 6,6 Minuten

Kein Auto wird geblitzt, hier ist alles klar, denn nach DDR-StVO endet die Geschwindigkeitsbegrenzung an der nächsten Querstraße, womit alle Autos die letzten 2 Kilometer mit 50 km/h fahren dürfen.

Dagegen, nach BRD-StVO, muß das gelbe Auto die letzten 2 Kilometer mit Tempo 30 fahren, da das Limit an der Querstraße nicht endet. Auch das rote Auto müßte auf dem letzten Abschnitt eigentlich Tempo 30 fahren, doch es kommt nie an einem Tempo-30-Schild vorbei, weshalb der Fahrer überhaupt nichts davon weiß. Er fährt also 50 km/h und überholt das gelbe Auto auf dieser Strecke. Der Fahrer des gelben Autos denkt: Was für ein Raser! Und der Fahrer des roten Autos: Warum wurde ich geblitzt? Den Bußgeldbescheid wird er wohl abwenden können, wenn er glaubhaft belegt, daß er nie ein Tempo-30-Schild gesehen hat bzw. nie hätte sehen können.
Anders ist es, wenn das blaue Auto auf dem letzten Abschnitt mit Tempo 50 fährt. Dem Fahrer wird man unterstellen, er sei extra vor dem Tempo-30-Schild abgebogen, um später wieder auf die 30er-Strecke aufzubiegen, damit er unter dem Vorwand, er wisse von nichts, 50 km/h fahren kann. Das Verkehrsgericht muß klären, ob der Fahrer das Schild tatsächlich nicht gesehen hat oder ob er doch über die 30er-Strecke im Bilde war.

Ist die BRD-StVO nicht bekloppt? Wie klar und einfach war es dagegen in der DDR!
Vielleicht sollten durch die West-Regelung Verkehrsschilder gespart und Arbeitsplätze für Verkehrsrechtsanwälte geschaffen werden.
Warum wurde die sinnvolle DDR-Regelung nicht mit der Wiedervereinigung in die BRD-StVO übernommen?
Mit anderen Dingen ging es doch auch:

  • Grüner Pfeil
  • links abbiegende Autos fahren an der Kreuzung aneinander vorbei statt umeinander herum
  • Ost-Ampelmännchen

Nun bin ich also mehr als 30 Jahre nach falschen Verkehrsregeln gefahren, allerdings auch nie dabei erwischt worden. Zum einen wohl, weil ich in einer entsprechenden Situation nie in einen Blitzer geraten bin, zum anderen, weil es solche Situationen eher selten gibt.
Dabei war ich oft verwundert, wenn auf einer 30er Strecke an der nächsten Kreuzung ein Tempo-50-Schild stand. Ich fragte mich: Warum ist hier ein Tempo-50-Schild? Jeder weiß doch, daß an der Kreuzung die 30er-Strecke automatisch endet. Für wen stellen die das Schild auf? Für die ganz doofen? Für die, die das nicht wissen?


Abschließend sei noch erläutert, wie im Rätsel gerechnet wurde: Ein Auto mit 50 km/h braucht für einen Kilometer 1,2 Minuten. Mit 30 km/h braucht es für einen Kilometer 2 Minuten. Am Beispiel des gelben Autos ergibt sich dessen Fahrzeit also aus 1 km mit 50 km/h (die Strecke bis zum 30er-Schild), und die restlichen 3 Kilometer mit 30 km/h. Das heißt 1,2 Minuten für den ersten Kilometer, und 3 mal 2 Minuten für die restlichen 3 Kilometer. Die Fahrzeit beträgt also 1*1,2+3*2=7,2 Minuten.

Tags: Auto, StVO, DDR, BRD

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